Sprachvergleich und Sprachaufmerksamkeit

Frühestes Beispiel für Sprachaufmerksamkeit durch ein zweisprachiges Kind ist das Folgende:

(1) Ken 1;4, zweisprachig Deutsch-Japanisch, (redet den deutschen Opa mit dem japanischen Namen für Opa und lacht dabei heftig:

Ke: O-chi-san!

bei dem Ken das Japanische offenbar bewusst gegenläufig zum Alltäglichen verwendet. Er weiß also schon lange vor der bewussten Sprachentrennung, dass diese Anrede nicht passt, und verstößt mit Spaß gegen die Regel. Das zeigt:

Sobald mehrere Sprachen ins Spiel kommen, vergleichen Kinder sie spontan. In (2) bezieht sich das erste Beispiel auf den Unterricht Grundschulfranzösisch, die anderen auf den Vergleich mit den Familiensprachen zweisprachiger Kinder.

(2) Ein- und zweisprachige Kinder, Zyklus 3, finden gleichlautende Wörter in jeweils zwei Sprachen:

„Fisch französisch kann nicht schwimmen, hihi!" (Fisch – fiche)

„Wenn ich griechisch Katze sage, dann heißt das ‚setz dich‘."

Bär das ist kasachisch ‚gib mir‘."

„Russisch rot heißt ja ‚Mund‘!" usw.

 

Wenn Kinder Interesse für ihr eigenes Nachdenken und ihre Sprachaufmerksamkeit finden, stärkt das ihr Spracheninteresse, ihre Beteiligung wächst und sie wollen etwas beitragen, sie steigern ihre Aufmerksamkeit und lernen mehr, gewinnen Orientierung im Feld der Sprachen. So bauen sie ihre Zwei- und Mehrsprachigkeit bewusst und aktiv aus.

>> integrierte Mehrsprachigkeit in Zyklus 2

Lehrpersonen können diese Haltung fördern, indem sie Beispiele der Kinder aufgreifen und im Unterricht produktiv werden lassen: „Wenn man Bär sagt, heißt das in anderen Sprachen auch etwas? Was? – Und wie heißt in euren Sprachen das Tier Bär?" Die Kinder tragen Tiernamen bei und vergleichen sie: Manche erscheinen ähnlich, manche verschieden:

Bär[dt] – bear [engl] – björn [schwed] - ours [frz] – oso [span] – orso [it] – urso [pg] – ayı [tk] – niedźwiedź [poln] – arkouda [ar'kuδa, griech]...  

Sie sehen, dass auch ihre Sprachen repräsentiert sind; sie beschreiben die Abweichungen bei ähnlichen Wörtern (Verwandtschaft?) und stellen fest, was nicht verwandt erscheint. (Vorsicht: nur aus wenigen Wörtern kann man noch nicht auf Sprachverwandtschaft insgesamt schließen, sondern nur auf die Verwandtschaft der Wörter!) Viele solcher kleinen Untersuchungen führen zu Wissen über Sprachen und einer aktiven Fragehaltung, aus der heraus sie auch Vorschläge in den Unterricht einbringen und Sprachlernbewusstheit sowie Methodenkompetenz entwickeln und selbst zu integrierter Mehrsprachigkeit kommen. Diese Lernhaltung ist die beste Sprachförderung.