Sprachliche Ausgangslage

 

Die europäischen Gesellschaften sind schon immer von Mehrsprachigkeit und Sprachkontakt geprägt, was seit dem 2. Weltkrieg stärker wahrgenommen wird und in den zwei letzten Jahrzehnten deutlich ins allgemeine Bewusstsein geraten ist. Entstanden sind die Sprachsituationen historisch und in der Gegenwart durch das Aufeinandertreffen ansässiger und wandernder Menschengruppen verschiedener Sprachen, die in Kontakt traten, sich beeinflussten und Druck aufeinander ausübten.

In Luxemburg, das im Kontaktgebiet mehrerer germanischer Sprachen und des Französischen liegt und das starke Zuwanderung von Anderssprachigen aus unterschiedlichen Motiven erlebt, lässt sich die Sprachenlage nicht einfach als Diglossie oder Triglossie beschreiben; im Gegenteil: Lëtzebuergesch ist nicht (nur) eine dialektale Varietät des Deutschen für eher familiäre und inoffizielle Situationen der Mündlichkeit, sondern seit 1984 National- und Amtssprache mit zunehmend ausgebauter Schriftsprache; Deutsch dient als Schrift-, Bildungs- und Mediensprache und schon traditionell als Nationalsprache, wird aber kaum in Situationen der Mündlichkeit verwendet; Französisch ist Bildungssprache und Nationalsprache sowie auf verschiedenen Niveaus Kommunikationssprache zwischen der einheimischen und der aus romanischen Ländern zugewanderten Bevölkerung.

Die größte Gruppe unter den Migranten spricht Portugiesisch,[1] in der Grundschule etwa 30 % (nach PIRLS 2006, 2007, S. 14; s. Bildungsstandards Sprachen[2]).

In konkreten Situationen entstehen daraus jeweils eigene Sprachgebrauchsformen mit bedeutungsvollen Sprachwechseln, die hier nicht erfasst werden können.

>> Sprachen mischen

In den Bildungsinstitutionen werden nacheinander Luxemburgisch, Deutsch und Französisch gelehrt und gesprochen, außerdem verschiedene Fremdsprachen (in der Sekundarstufe Englisch, Italienisch, Spanisch). Im öffentlichen Leben dominiert Französisch. Die Zuwanderer (mit einer Sozialschichtung von leitenden Stellungen in Handel und Banken bis zur Arbeiterschaft und ungeregelten Arbeitsverhältnissen) bringen Sprachen wie (internationales) Englisch, andere Weltsprachen und die bekannten europäischen und außereuropäischen Migrationssprachen auf unterschiedlichem Niveau mit.

In der Realität kommen weniger die reinen Sprachtypen wie Erst- bzw. Muttersprache, Zweitsprache, Fremdsprache vor, sondern wechselnde Entwicklungen und Mischformen: In der mehrsprachigen Lebenswelt wird aus der Fremdsprache wird eine Zweitsprache, wenn der Lernende im Land der Sprache lebt und handelt; die Zweitsprache wird zur Hauptsprache und durch die Schule zur Bildungssprache, dann zur Berufssprache oder – im Falle des familiären Sprachwechsels – zur Familiensprache, während die Erstsprache oft auf Alltägliches beschränkt bleibt, usw. in vielen Sprachkonstellationen.

Ein idealistisches Ziel durchgängiger Bildung dagegen wäre es, auch die nicht heimischen Erstsprachen der Migration zu fördern, was gegenwärtig jedoch nur in bescheidenem Rahmen möglich ist. Umso wichtiger erscheint es, auch diesen Sprachen Anerkennung und Prestige zu verleihen, indem sie im Rahmen einer Didaktik der Sprachenvielfalt und der integrierten Mehrsprachigkeit im Unterricht zur Sprache kommen können.

 

[1] Bulletin STATEC août 2011: Au 1er février 2011, 56.96% des personnes vivant au Luxembourg avaient la nationalité luxembourgeoise contre 43.04% possédant une nationalité étrangère (…). Parmi les 291 831 Luxembourgeois, 84.41% ont obtenu la nationalité luxembourgeoise à la naissance contre 14.59% par naturalisation.

Environ 170 nationalités étaien présentes au 1er février 2011. … les Portugais viennent en tête (16.08% de la population totale) suivis par les Français (6.14%), les Italiens (3.52%) …

[2]http://www.men.public.lu/publications/syst_educatif_luxbg/langues/080611_bildungsstandards_sprachen/080606_bildungsstandards_sprachen.pdf

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