Frühe Sprachaufmerksamkeit in der Erstsprache

Zwei Beispiele einsprachiger Kinder:

In sprachintensivem Milieu äußern sich Kinder schon sehr jung über das, was ihnen an Sprachen auffällt, und sie spielen mit Sprachen (Beispiele 1 und 2):

(1) In der Familie: Die Mutter spricht mit dem Großvater, Johanna (1 Jahr und 10 Monate) hört zu.

Plötzlich ruft Johanna: „ech Mama!" Johanna macht eine Entdeckung: Endlich hat sie einen Anhaltspunkt dafür, was ECH bedeuten könnte: Mami. Das ist ein Teil der Funktionen von ECH. Entdecken muss sie noch ECH als  Rollenpronomen, das mal von dieser, mal von jener Person für sich selbst benutzt wird. Johanna hat einen Ausgangspunkt weiterer Sprachaufmerksamkeit gefunden; in Zukunft kann sie ihre Hypothese „ech Mami" verifizieren und falsifizieren und dabei weitere Anwendungen von ECH entdecken. Mit der Zeit wird sie lernen, dass sich ECH auf den Sprecher selbst bezieht und damit von  wechselnden Personen benutzt wird. Komplizierter wird es, wenn ein Sprecher in der direkten Rede ECH verwendet: „Ech gouf vum Pierre fond, mee hien huet mier versprach: ech verroden dech net."

Darüber hinaus wird Johanna entdecken, dass in den Medien ICH statt ECH gesagt wird.

(2) David, Katrin, beide 2;6 J. haben einen Becher Kakao vor sich:

Ka: Ech hunn Tei\ (lacht)

Da: Ech hu Kaffi\ (lacht auch)

(von hier an heftiges Gelächter)

Ka: Ech hunn Jus\

Da: Ech hunn Beier\

Ka: Ech hunn Wäin\

Da: Ech hunn Banann\(usw.)

Ka: Ech hun e Canapé/eng Fotell\

Da: Ech hunn police\

Die Kinder steigen hier bewusst mittels Sprache aus der realen Situation aus (TeeSaft statt Kakao) und steigern ihr Spiel, zuerst Gesetze der Kinderwelt  sprachlich zu verletzen (Kinder bekommen keinen Kaffee und auch nicht BierWein) und dann ins Absurde überzugehen (Sofa oder Polizei in der Tasse usw.). Erwachsene sagen dann meist: „Rede nicht so einen Quatsch, sprich vernünftig.", denn Erwachsene erkennen das Potenzial oft nicht, nämlich dass Kinder ihre Sprachaufmerksamkeit und ihr Wissen über die Sprache, die Welt und ihre Gesetze quasi anerkennen, indem sie sie spielerisch lachend überschreiten. Es ist förderlich, dass die Kinder bei solchen Unsinnspielen nicht zurückgewiesen werden, denn sie bestätigen das Richtige implizit ja lachend im Sprachwitz: „So ist es nicht korrekt." Diese Spiele fördern die Aufmerksamkeit auf Sprache(n) und dienen damit der Regelfestigung. Kinder, deren Überlegungen und Witze mit Interesse aufgenommen werden, verstärken ihre Sprachaufmerksamkeit.