Erstsprache: Sprechen lernen – Sprache(n) erwerben

Sprache und Sprechen sind lebensnotwendig, aber sie entstehen nicht von selbst. Sprache verlangt Gemeinschaft, Sprache lernt man durch Teilnahme am Sprechen. Damit Sprache sich entwickelt, brauchen Kinde Zuwendung und Dialog sowie Anregungen aus der Welt. Dabei durchlaufen sie verschiedene Phasen des Spracherwerbs.

 

Spracherwerb beginnt schon vor der Geburt mit dem Hören von Sprachmelodie und Lauten.

Ein Mensch kommt nämlich nicht als unbeschriebenes Blatt auf die Welt, wie man früher meinte. Schon im Mutterleib, sobald sein Gehör ausgebildet ist, lernt das Kind u.a. die Melodie der Sprache seiner Mutter. Wenn die Mutter mehrere Sprachen spricht, nimmt es auch diese auf. Auf die Welt gekommen, entwickelt das Kind aus dem Schreien langsam melodische Lautketten und sprachähnliche Laute, die einerseits durch das Wachsen und Trainieren der Artikulationsorgane im Mund-Rachenraum möglich sind, die andererseits durch die „Zwiesprache" mit den umgebenden Menschen angeregt werden, also durch Resonanz.

Das Kind „schwingt" quasi mit dem zugewandten Erwachsenen. Liebevolle Zuwendung und Ansprache gestalten sich interaktiv im (nicht nur sprachlichen) Dialog, und das Kind „redet" mit. So entwickelt es nicht nur seine Artikulationsorgane und den durch noch ungezielte Bewegungen mitsprechenden Körper, sondern von den ersten Monaten an hörend und ordnend auch sein Kategoriensystem der außersprachlichen Welt, lange bevor es in Worten spricht.

Diese Erkenntnis ist neu: Das Denken kommt vor dem Sprechen in Worten. Anregung und Zuwendung sind dabei entscheidend, und sie bleiben es auch später.

Im ersten Lebensjahr entdecken Kinder die Welt hörend, fühlend und tastend, schmeckend und sehend. Ihre Körperausdrücke entwickeln sich; es entstehen differenzierte Bewegungen und das Lachen, das Greifen und das Zeigen. Menschen sind die einzigen Lebewesen, die auf etwas zeigen. Etwa gleichzeitig mit dem Zeigen setzen deutlicheres Sprachverstehen und vermehrte Lautbildung ein, erste Wörter werden gebraucht, dann komplexere Wortgruppen und Wortformen, Sätze bis hin zur Artikulation von Bedürfnissen, Begründungen, Geschichten im sozialen Austausch in Familie und Umwelt. Diese Fähigkeiten werden durch Vorschule und Schule weiter ausgebaut.

All das setzt voraus, dass die Kinder Kommunikationspartner haben, die sich ihnen zuwenden und im achtsamen und verständigungsorientierten Dialog bleiben. Die Aufgabe der Erwachsenen ist es, angemessenen, reichen Input anzubieten, das Kind in seinem Sprechen und Denken zugewandt zu bestärken und ihm weitere Spracherfahrungen zu ermöglichen.

Ein Beispiel aus der Familie auf Deutsch, das sich analog auch in anderen Sprachen und Dialekten ereignen kann:

 

Januar. Mutter und Marta (1;4 Jahre) betrachten ein Bilderbuch.

Marta: nee

Mutter: Schnee? Wo?

Marta zeigt auf weiße Schrift auf dunklem Grund.

Mutter: weiß wie Schnee

Marta: weiß

So entwickelt sich Sprache im Zusammenhang mit Welterfahrung (Schnee) und literaler Erfahrung (Farbe im Buch) durch den Dialog mit den Bezugspersonen.

>> Erstsprache – Zweitsprache – Fremdsprache

Das Institut de Formation continue empfiehlt die folgenden Weiterbildungsangebote: